Mythos: Durch Windenergie erzeugter Infraschall macht krank
Fakt
Der Mythos basiert auf einer Studie der BGR (2009), die Infraschallwerte von Windenergieanlagen extrem hoch angab. Im April 2021 gab die BGR zu, dass bei der Umrechnung ein systematischer Rechenfehler unterlaufen war — die Werte wurden um 36 dB nach unten korrigiert, was einer Reduktion der Schallenergie um den Faktor ~4.000 entspricht.
Mehrere unabhängige Studien und Übersichten zeigen: Bei typischen Infraschallpegeln im Umfeld von Windrädern sind keine stichhaltigen gesundheitlichen Effekte belegt. Sofern gesundheitliche Beschwerden auftreten, sind sie oft besser durch subjektive Empfindungen, Geräuschempfindlichkeit oder psychosoziale Faktoren erklärbar.
Fazit
Der wissenschaftliche Konsens lautet, dass Infraschall aus Windkraftanlagen keine klinisch relevanten Gesundheitsrisiken darstellt. Der Mythos bleibt in der Diskussion präsent — aber seine Grundlage ist methodisch widerlegt. Wenn wir über Windenergie reden, müssen wir Ängste ernst nehmen, aber auf Fakten bauen.
Noch mehr Hintergründe
Die behauptete gesundheitliche Gefährdung durch Infraschall aus Windenergieanlagen beruht auf fehlerhaften Messungen und einer wissenschaftlichen Datenlage, die keine belegbaren Effekte auf Gesundheit zeigt
Der Vorwurf, dass Windkraftanlagen (WEA) über Infraschall (also tieffrequente und oft unhörbare Schallanteile) gesundheitliche Schäden verursachen, zählt zu den am häufigsten wiederholten Mythen gegen die Windenergie. Doch bei genauerer Betrachtung entpuppt sich dieser Mythos als weitgehend unbegründet — insbesondere, wenn man Messfehler, methodische Schwächen und den aktuellen Stand der Wissenschaft berücksichtigt.
Der große Rechenfehler der BGR – ein Wendepunkt
Ein zentraler Katalysator dieser Kontroverse war eine Studie der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR), die seit etwa 2009 häufig zitiert wurde. In dieser Publikation wurden Infraschallwerte von Windenergieanlagen angegeben, die deutlich höher lagen als in anderen Studien üblich.
Im April 2021 räumte die BGR ein, dass bei der Umrechnung des gemessenen Drucksignals in Schalldruckpegel ein systematischer Fehler unterlaufen war. Man korrigierte die Werte um 36 Dezibel nach unten.
Der Effekt dieser Korrektur war dramatisch: Die ursprünglichen Infraschallwerte wurden in manchen Darstellungen um den Faktor ~4.000 (bezogen auf Schallleistung) überschätzt.
Die Bayreuther Forschungsgruppe (BayCEER) hatte zuvor bereits kritisiert, dass die Werte der BGR „um Größenordnungen über den Schalldrücken anderer Institutionen“ lagen — und dass die Daten der BGR bei korrekter Umrechnung nicht reproduzierbar seien.
Der Umweltwissenschaftler Dr. Stefan Holzheu von der Universität Bayreuth spielte eine wichtige Rolle bei der kritischen Nachfrage. Er wies darauf hin, dass die BGR in der Öffentlichkeit ihre hohen Werte mehrfach verteidigt hatte, bevor sie letztlich die Korrektur vornahm.
Parallel dazu führten Analysen unabhängiger Wissenschaftler (etwa eine Reanalyse von Baumgart, Fritzsche und Marburg) zu dem Ergebnis, dass die gemessenen Infraschallpegel bei typischen Abständen von 200 m deutlich unter den Hörschwellen liegen — teils um rund 34 dB niedriger als in der ursprünglichen BGR-Darstellung.
Mit dieser Korrektur verlor das Argument der „gefährlichen Infraschallbelastung“ vielfach seine Grundlage.
Was sagt die wissenschaftliche Literatur heute?
Auch über den BGR-Fall hinaus – in zahlreichen Studien und Übersichten – ergibt sich ein Konsens, dass Infraschall von Windkraftanlagen nicht nachweislich krankmacht. Die wichtigsten Befunde:
1. Keine belegbaren gesundheitlichen Effekte bei niedrigen Pegeln
Eine experimentelle Studie, in der gesimulierter Infraschall über 72 Stunden untersucht wurde, zeigte keine physiologischen Effekte auf Herzfrequenz, Blutdruck oder weitere Parameter.
Eine Übersichtsarbeit unter den Stichworten „Wind Turbine Sound and Health Effects“ fasst zusammen, dass die Forschung keinen klaren Zusammenhang zwischen Infraschall und etwa Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Tinnitus oder anderen Erkrankungen sieht — abgesehen von Lärmbelästigung (Annoyance).
Eine neuere Übersicht („Wind turbine infrasound: Phenomenology and effect on people“) kommt zu dem Schluss, dass die Mehrheit der Menschen nicht betroffen ist. Manche berichten über Reaktionen wie Unbehagen oder Schlafstörungen — jedoch häufig nicht klar auf Infraschall, sondern auf visuelle oder psychologische Faktoren (z. B. Wahrnehmung, Erwartung, Geräuschempfindung).
Eine niederländische Untersuchung (RIVM) fasst den Stand bis 2020 zusammen: Die Evidenz für andere gesundheitliche Effekte als Lärmbelästigung ist inkonsistent, und in vielen Fällen hängen Beschwerden stärker von subjektiven Faktoren als von objektiven Pegelwerten ab.
Eine aktuelle Studie der VTT (Finnland) fand keine Hinweise darauf, dass gesundheitliche Symptome von Anwohner*innen systematisch durch Infraschall verursacht werden – im Experiment konnten Probanden infraschall kaum wahrnehmen, und autonome Stressparameter zeigten keine Reaktion.
Der Woolcock Institute of Medical Research veröffentlichte: „Wir konnten eindeutig zeigen, dass der Infraschall von Windkraftanlagen nicht Schwindel oder Übelkeit verursacht, nicht das Herz belastet oder den Schlaf stört.“
In vielen wissenschaftlichen Übersichten und Debunking-Sammlungen wird betont, dass gemeldete Symptome oft psychosozial rückgebunden sind und durch die Erwartung („Wenn ich glaube, dass etwas krank macht“) verstärkt werden.
2. Annoyance, Schlafstörungen & subjektive Beschwerden
In vielen Fällen, in denen Anwohner*innen Beschwerden äußern (z. B. Schlafstörungen, Stress), besteht ein signifikanter Zusammenhang zwischen Lärmbelastung im hörbaren Bereich (z. B. Geräusche, Brummton, Amplitudenmodulation) und wahrgenommener Belästigung.
Diese Belästigungen sind oft stärker mit dem subjektiven Empfinden, Sichtbarkeit der Anlagen, Sozialfaktoren oder Beteiligung der Bevölkerung an der Planung verbunden als mit niedrigfrequentem Schall oder Infraschall selbst.
Die Unterscheidung „Lärmerleben vs. Infraschalleinwirkung“ ist essenziell: Beschwerden heißen nicht automatisch, dass Infraschall krankmacht.
3. Weitere kritische Bewertungen & Gutachten
In der Massachusetts Environmental Health Association Consensus-Publikation und weiteren Expertenpanels wird betont, dass es keine wissenschaftlich stichhaltige Evidenz für gesundheitliche Effekte gibt, die auf Infraschall zurückzuführen sind.
Die WHO und andere Institutionen berücksichtigen in ihren Leitlinien Lärmwirkungen, nicht aber spezifisch Infraschall bei üblichen Umgebungspegeln.
In einem Gutachten der niederländischen Institutionen wurde festgestellt, dass Beschwerden eher mit subjektiven Faktoren korrespondieren als mit objektiven Pegelwerten.
SkepticalScience etwa schreibt: „Das Gewicht der Evidenz legt nahe, dass es keine direkte kausale Verbindung zwischen niederfrequentem Lärm / Infraschall von Windkraftanlagen und Gesundheitseffekten gibt.“

